Die Digitalisierung in der Landwirtschaft gewinnt immer stärker an Bedeutung, sowohl für die regionale wirtschaftliche Entwicklung und den Umweltschutz, als auch für die Welternährung und den Klimawandel. Durch neue Technologien können knapper werdende Ressourcen effizienter genutzt, die Ertragssicherheit der landwirtschaftlichen Produktion erhöht und der Einsatz von Pestiziden und Düngern reduziert werden.

Die gemeinsame Tagung des Projektes „DiLaAg – Digitalisierungs- und Innovationslabor in den Agrarwissenschaften“ (DiLaAg), des BOKU Zentrums für Agrarwissenschaften (BOKU CAS) und der BOKU-Standortinitiative für Bio-Resources & Technologies Tulln (BiRT) gab einen Einblick in den Stand des Wissens und aktuelle Forschungsprojekte zum Thema Digitalisierung in der Landwirtschaft.

Diskutiert wurden – in diesem Jahr online – unterschiedliche digitale Technologien wie Sensorik, Robotik, Automation, Big Data, Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz. Im PhD-Programm „DiLaAg – Digitalisierungs- und Innovationslabor in den Agrarwissenschaften“ haben sich die BOKU, die TU Wien und die Veterinärmedizinische Universität Wien 2019 zusammengeschlossen, um gemeinsam den wissenschaftlichen Nachwuchs auszubilden und eine Plattform für Forschung und Beratung zu gründen. Derzeit nehmen acht Dissertant*innen an dem PhD-Programm teil, die im Rahmen der Tagung ihre Forschungsarbeiten präsentierten. Gefördert wird das Projekt durch die Forum Morgen Privatstiftung sowie das Land Niederösterreich.

Im Fokus von DiLaAg stehe, die Kompetenzen der drei Universitäten zu vernetzen und neue Technologien in der Praxis anwendbar zu machen, erläuterte Univ.-Prof. Dr. Andreas Gronauer, Vorstand des Instituts für Landtechnik der BOKU. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Innovationsplattform „Digital Agricultural Lab“, wo die Vernetzung mit Praxisbetrieben sowie ein Firmennetzwerk fördernder Unternehmen aufgebaut wird.

Digitalisierung auch für kleine Betriebe ermöglichen

Digitalisierung wird einen so technikorientierten Bereich wie die Landwirtschaft in Zukunft stark prägen. „Es zeigt sich, dass die Digitalisierung umfangreiches Potential bietet, die Produktivität der Landwirtschaft weiter zu erhöhen und mit den neuen Möglichkeiten einer abgestuften und ressourcenschonenden Flächennutzung auch umfangreiche Chancen für den Natur- und Umweltschutz schafft“, so Prof. Dr. Jochen Kantelhardt, Leiter des BOKU Zentrums für Agrarwissenschaften. Zu beachten sei allerdings, dass die Digitalisierung so umgesetzt werden müsse, dass auch kleinere Betriebe die Möglichkeiten bekommen, an dieser Entwicklung teilzuhaben.

Landwirtschaft digitale Vorreiterin

„Die Landwirtschaft ist bei der Digitalisierung bereits seit den 1990er-Jahren Vorreiterin“, führte Prof. Dr. Engel Friederike Hessel, Unterabteilungsleiterin und Digitalisierungsbeauftragte im Deutschen Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in ihrer Keynote. Ziel des Bundesministeriums sei, nachhaltige Digitalisierung zu begleiten und zu fördern. Zu diesem Zweck wurde im Ministerium vor zwei Jahren die Unterabteilung „Digitale Innovation“ ins Leben gerufen, das BMEL fördert die digitale Transformation in den kommenden drei Jahren mit 50 Mio. Euro.

Anwendungsgebiete der Digitalisierung seien unter anderem der effiziente Einsatz von Ressourcen, beim Tierwohl, bei der Verwendung von Dünger und Pflanzenschutzmittel. „Digitalisierung fördert aber auch die Transparenz in der Lebensmittelkette“, so Hessel. Weitere Ziele des BMEL sind der Ausbau digitalen Infrastruktur im ländlichen Raum und die Vernetzungsmöglichkeit von Daten. Denn, wie Hessel betonte, „maschinenlesbare Daten sind der Schlüssel zur Digitalisierung in der Landwirtschaft“.

Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft

Für die innovative Nutzung der Digitalisierung im Bereich der Landwirtschaft (Smart Farming) müssten die hierzu notwendigen Kompetenzen und Fähigkeiten sowohl in den Bereichen von Forschung und Lehre als auch in denen der Aus-und Weiterbildung viel intensiver und reflektierter vermittelt werden als es bis dato der Fall ist, lautete das Resümee von Prof. Dr. Eberhart Hartung, Präsident des deutschen Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) in seiner Keynote „Smart farming technologies – Herausforderungen für Forschung und Lehre“. Um die Potentiale der Digitalisierung im Bereich der Landwirtschaft und dem nachhaltigen Erhalt und der Förderung des ländlichen Raums ausschöpfen zu können, wären die essentiellen Bedarfe an einer international abgestimmten Dateninfrastruktur und der Bereitstellung von belastbaren „Gold-Standards“ für optimale Sensor-/Informationsnutzung zu schaffen sowie Strategien zur Förderung der IT-Kompetenz umzusetzen, so Hartung.

Sensortechnologie für Tierwohl

Ein wesentlicher Bestandteil des Precision Livestock Farming ist der Einsatz moderner Sensortechnologie. Prof. Dr. Marc Drillich vom Department für Nutztiermedizin und öffentliches Gesundheitswesen der Veterinärmedizinischen Universität Wien referierte zum Thema „Einsatz von Beschleunigungssensoren zum Monitoring von Milchkühen“. Beschleunigungssensoren am Tier liefern Bewegungsprofile, die durch den Einsatz von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz die Erkennung bestimmter physiologischer oder pathologischer Zustände ermöglichen. „Das automatisierte Tiermonitoring liefert Daten und Informationen, die für die Überwachung der Tiergesundheit und des Tierwohls in Zukunft eine zentrale Rolle spielen werden“, lautete Drillichs Einschätzung des Potentials digitaler Technologien in der Nutztierhaltung.

Reproduzierbarkeit von komplexen Analyseprozessen

Prof. Dr. Andreas Rauber vom Institute of Information Systems Engineering der TU Wien erläuterte, warum der Reproduzierbarkeit von Ergebnissen eine essentielle Bedingung in Analyseprozessen zukommt, um Entscheidungen nachvollziehen, begründen und ihnen vertrauen zu können. „Obwohl dies eine triviale Anforderung zu sein scheint, zeigen sich in der Praxis zahlreiche Herausforderungen“, so Raumer, der im Rahmen seines Vortrags Beispiele aufzeigte und Lösungsansätze vorstellte, wie auch komplexe Analyseprozesse, welche mit sich laufend ändernden Daten operieren, zuverlässig und reproduzierbar durchgeführt werden können.

Vom Sensor zum Smart Farming

Durch die vermehrte Einbindung der Methoden der Informatik verändern sich die Arbeitsabläufe und Prozesse in der Landtechnik, aber auch die verwendete Technik selbst. Die Entwicklung und Einbindung von Sensorik, die nicht mehr nur zur Steuerung und Regelung der verwendeten Landmaschinen genutzt wird, sondern zur Abbildung der verschiedensten Parameter des ganzen Sytems (Boden, Pflanze, Maschine, Mensch, Umwelt, etc.) stellt oftmals den ersten Schritt im Smart Farming der Zukunft dar, wie Dr. Viktoria Motsch vom Institut für Landtechnik der BOKU in ihrem Beitrag „Data-Driven Agriculture: Status quo und zukünftige Herausforderungen im Smart Farming“ ausführte. So verfügen moderne Geräte über satellitengesteuerte Navigations- und Kartierungssysteme, die eine zielgerichtete Mengenausbringung erlauben (Precision Farming). Motsch: „Nur durch diese Weiterentwicklung und ein gutes Zusammenspiel dieser unterschiedlichen Ansätze kann sich der Kreis vom Sensor bis zur Nutzung der generierten Information schließen.“

Die Tagung fand am 22. Oktober 2020, von 9:00 bis 16:00 Uhr online statt.

Das Programm zur Tagung finden Sie hier 

Vorträge

Begrüßung: Rektor Prof. Dr. DDr. h.c. Hubert Hasenauer

Digitalisierung in der Landwirtschaft – Umsetzungsstrategie des BMEL
Prof. Dr. Engel Friederike Hessel, Unterabteilungsleiterin und Digitalisierungsbeauftragte im Deutschen Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft         

Smart farming technologies – Herausforderungen für Forschung und Lehre
Prof. Dr. Eberhard Hartung, Präsident des deutschen Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL)

Das Digitalisierungs- und Innovationslabor in den Agrarwissenschaften
Prof. Dr. Andreas Gronauer, Institut für Landtechnik, Universität für Bodenkultur Wien

Doktoratsvorträge
Georg Supper: Datenbasierte, vernetzte Prozessführung in der Agrartechnik
Florian Kitzler: Integration von Bestandsparametern für intelligente landwirtschaftliche Prozesse
Lukas Koppensteiner: Strategische Sammlung und Bereitstellung von Feldversuchsdaten
Barbara Pichlbauer: Sensor-basiertes Monitoring der Weidehaltung von Milchkühen
Sebastian Raubitzek: Machine Learning and Chaos Theory for Data Analysis in Agriculture
Kannan Peesapati: Explainable Artificial Intelligence and its role in smart agriculture
Warren Purcell: Data resilience in agriculture
Francisco Medel: Life cycle assessment and economic evaluation of variable rate nitrogen application using a ground-based optical plant sensor

Einsatz von Beschleunigungssensoren zum Monitoring von Milchkühen
Prof. Dr. Marc Drillich, Veterinärmedizinische Uni Wien

Reproduzierbarkeit im Bereich der Datenanalyse: Herausforderungen und Lösungen
Prof. Dr. Andreas Rauber, Institute of Information Systems Engineering, TU Wien

Data-Driven Agriculture: Status quo und zukünftige Herausforderungen im Smart Farming
Dr. Viktoria Motsch, Institut für Landtechnik, Universität für Bodenkultur Wien

Die Tagung wurde am Vorabend, 21.10.2020 mit einer Live-Stream Podiumsdiskussion zum Thema Digitalisierung in der Landwirtschaft mit Vertretern aus der Politik, Wissenschaft und Praxis eingeleitet. Den Link zur Podiumsdiskussion finden Sie hier.